Viele von Euch haben uns immer wieder gefragt, wie man eigentlich so einen Lederkoller näht. Da wir in den letzten Wochen einen neuen Lederkoller im Stil der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts angefertigt haben, haben wir kurzerhand die Arbeitsschritte dokumentiert und hier zusammengestellt. Die meisten der hier gezeigten Bilder sind während der Arbeit am Koller entstanden, daher sind nicht alle von ausreichender Qualität. Wir bitten dies zu entschuldigen. Der Text und alle Bilder, sofern nicht anders gekennzeichnet, stammen von Daniel Klotz.
Definition
Der Lederkoller ist ein Kleidungsstück aus Leder, das gegen Hiebe und Stiche schützt und über der normalen Kleidung getragen wird. Er wird in verschiedenen Formen hergestellt, z. B. mit kurzen oder langen Schößen, mit oder ohne Ärmel. Im Englischen wird der Lederkoller auf Grund des verwendeten Leders als „Buff coat“ bezeichnet. Historische Quellen zeigen, dass über dem Lederkoller auch ein Harnisch getragen werden konnte. Erhaltene Originale in den Sammlungen von Museen sind meist Adeligen oder hohen Offizieren zuzuordnen. Der Lederkoller kann als Schutzwaffe gesehen werden. Die Funktion des Lederkollers, die darunter getragene Kleidung vor dem Durchscheuern durch den Harnisch zu schützen, sollte jedoch nicht vernachlässigt werden.
Motivation
Bei unseren Recherchen in Bildquellen stoßen wir auch immer wieder auf Darstellungen von Dragonern oder andere Truppengattungen, wie Infanteristen und Arkebusierreiter, die einen Lederkoller mit Ärmeln trugen. Aus diesem Grund wollten wir einen solchen nachfertigen. Ziel war es ein möglichst einfaches, schmuckloses Modell mit Lederärmeln für einfache Soldaten zu fertigen.
Wahl des Leders
Der erste Schritt war die Wahl des richtigen Leders. Wie erhaltene Stücke oder auch Schriftquellen zeigen, sollte ein weiches, sämisches Leder verwendet werden. Wir entschieden uns daher für ein sämisch gegerbtes Hirschleder in einer Stärke von ca. 2 mm bis 3,5 mm. Diese Stärke entspricht auch den uns bekannten Originalstücken für Mannschaften (z.B. in der Littlecote Armoury, Vgl: Royal Armouries 2019; Dowen 2019). Wie bei den historischen Originalen wurde ein hellbeiges („Buff-farbenes“) Leder gewählt, wie es z. B. auch bei Gustav Adolfs Lederkoller zu finden ist.
Schnittmuster
Der nächste Schritt war die Anfertigung eines passenden Schnittmusters. Bei unseren Recherchen fanden wir einige Schnittmuster für Lederkoller. Diese Schnittmuster stammen jedoch meist von späten Modellen aus oder nach dem Englischen Bürgerkrieg (1642- 1649) und haben eine andere Form, als wir sie uns wünschten (z. B. keine angesetzten Schöße oder weite, sackartige Ärmel). Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, ein eigenes Schnittmuster zu entwerfen. Um jedoch möglichst nahe an den zeitgenössischen Schnitten zu bleiben, haben wir als Grundlage für den Lederkoller den Schnitt eines Wamses aus dem Schneiderbuch von Anduxar aus dem Jahre 1640 (Publiziert in Gnagy 2018) genutzt und mit Hilfe des Bara-Systems an den zukünftigen Träger angepasst. Da der Lederkoller über dem Wams getragen werden und auch im Feld oder beim Reiten genügend Bewegungsfreiheit bieten sollte, haben wir den Schnitt um Brust und Taille einige Zentimeter vergrößert. Auch die Ärmel wurden um einige Zentimeter vergrößert, damit sie über die Ärmel des Wamses passen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Länge der Ärmel gelegt. Diese sind ca. 5cm länger als die Ärmel des Wamses, um auch bei ausgestrecktem Arm (z. B. beim Reiten) das Handgelenk zu schützen und somit einen optimalen Schutz zu bieten.
Zuschnitt
Es erfolgte der Zuschnitt des Leders. Dabei wurde darauf geachtet, dass für den Oberkörper stärkeres Leder und für die Ärmel dünneres, geschmeidiges Leder verwendet wurde. Unser Leder hatte einige natürliche Narben und kleine Löcher. Aufgrund der Tatsache, dass wir einen Lederkoller für Mannschaften herstellen wollten, haben wir diese nicht ausgespart und so möglichst wenig Verschnitt erzeugt. Die Löcher wurden später mit einem eingenähten Stück Leder verschlossen.
Nähen
Nun folgte die Hauptaufgabe: das Nähen des Kollers. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle uns bekannten Originale mit dem Sattlerstich genäht. Aufgrund der oft großen Materialstärke vieler erhaltener Originale (Anm.: diese sind oft aus Büffelleder hergestellt, mehrere Millimeter stark und Offizieren zuzuordnen) konnten sehr feine Nähte mit einem dünnen Faden hergestellt werden. Es liegt nahe, dass für Mannschaften gröbere Stiche mit einem dickeren Garn verwendet wurden. Wir haben uns daher für einen Stichabstand von ca. 7 mm mit einem starken Leinengarn entschieden. Das Garn wurde mit Schusterpech behandelt. Dadurch ist es gegen Feuchtigkeit konserviert und gleitet besser durch die Stichkanäle. Die beiden zu vernähenden Lederstücke wurden auf Stoß aneinandergelegt. Als Hilfsmittel zum Festhalten der Lederstücke dienten ein Knieriemen und ein gewölbtes Unterlegbrett. Das Leder wurde angefeuchtet und der Stichkanal mit einer Flachahle vorgestochen. Durch das Anfeuchten des Leders muss beim Stechen weniger Kraft aufgewendet werden und die Ahle bleibt länger scharf. Anschließend wurde das Garn von beiden Seiten mit einer Sattlernadel durch den Kanal geführt und festgezogen. Eine fertige Naht wurde nochmals befeuchtet und vorsichtig ausgehämmert, damit sie flach lag und gut schloss.
Zuerst wurden die Seitennähte (unter den Armen) am Torso zusammengenäht. So konnte das Leder glatt ausgelegt und die Schöße ausgerichtet und angenäht werden.
Es folgten die Schulternähte und das Vernähen der Ärmel.
Die wohl kniffligste Aufgabe war das Einsetzen der Ärmel in den Rumpf. Auf Grund der Rundung der Ärmel war besonders unter den Achseln ein häufiges Umlegen des Leders gefragt.
Aber auch das wollen wir Euch nicht vorenthalten: Bei einer ersten Anprobe des Kollers waren wir mit dem Sitz des Kollers nicht zufrieden. Der Koller war um die Taille herum zu weit und schloss überlappend. Wir entschlossen uns daher, die vorderen Schöße nochmals abzutrennen und das Leder am Torsostück an der Verschlusskante nachzuschneiden. Anschließend wurden die Schöße neu angesetzt. Dazu konnten die bereits vorgestochenen Löcher verwendet werden.
Es folgte das Ansetzen des Kragens. Wie bei vielen historischen Stücken wurde ein abgesetzter Doppelkragen genutzt. Dieser versteift den Koller um die Schulter- und Halspartie und trägt so zu einem guten Sitz und zusätzlichem Schutz bei. Zuerst wurde ein niedriger Kragen auf Stoß mit einem Sattlerstich an den Halsausschnitt des Rumpfes genäht. Anschließend wurde der niedrige Kragen mit einem höheren Kragen unterlegt. Um eine Kante durch die doppelte Materialstärke am Kragen zu vermeiden, wurde der hohe, hintere Kragen an der Nahtfläche ausgedünnt und mit einem Schlingstich am Torso festgenäht.
Verschluss des Kollers
Für den Verschluss des Lederkollers wurde eine Lösung mit Haken und Ösen gewählt, wie sie auch bei vielen historischen Originalen zu finden ist. Dies ermöglicht ein schnelles Öffnen und Schließen des Kollers. Die Alternative wäre ein Verschluss mit geknoteten Bändern gewesen. Dieser birgt jedoch die Gefahr, dass sich Wehrgänge oder Bandelier in den Bändern verheddern können und den Verschluss öffnen. Wir fertigten daher 13 Paare Haken und Ösen aus Stahldraht an.
Um einen festen Sitz der Haken und Ösen zu gewährleisten und sichtbare Nahtstiche auf der Vorderseite des Kollers zu vermeiden, haben wir eine Schicht Leder an der Verschlusskante aufgedoppelt. Dazu wurde ein Schlingstich verwendet. Auf das aufgedoppelte Leder wurden dann Haken und Ösen genäht. Um zu verhindern, dass sich der Koller bei einer Bewegung öffnet, wurden immer abwechselnd zwei Haken, anschließend zwei Ösen angenäht.
Futter
Um noch mehr Schutz und eine gute Passform zu gewährleisten, beschlossen wir, unseren Lederkoller zu füttern. Für den Torso haben wir Leinwand als Trägerstoff verwendet. Darauf wurde ein 4mm dickes Filzpolster über die Schultern genäht. Diese Art der Polsterung mit einer Lage Filz findet sich auch bei Wämsern. Neben dem Torso wurde auch der Kragen mit dem Trägerstoff gefüttert. Den Abschluss und damit den einzigen sichtbaren Teil des Futters in Rumpf, Kragen und Ärmeln bildete ein 80 Jahre altes Leinentuch. Die Schöße blieben wie bei den historischen Originalen auch ungefüttert. Das Futter wurde mit einem Schlingstich an den Lederkanten bzw. Nähten an Taille, Kragen, Handgelenken und Verschluss angenäht.
Knöpfe
Die Manschetten sollten mit Knöpfen verschlossen werden. Da über den Manschetten ein langer Stulpenhandschuh getragen werden kann, sollte ein Drücken durch die Knöpfe vermieden werden. Aus diesem Grund haben wir uns für Lederknöpfe entschieden. Diese bestehen aus zwei Lagen Leder, die rund ausgeschnitten und geschlitzt sind. Diese Art von Knöpfen findet man an verschiedenen historischen Stücken. Auf der Gegenseite der Manschettenknöpfe haben wir uns für Knopflöcher entschieden.
Für den Kragenverschluss nutzten wir garnumwobene Knöpfe. Dabei wird eine Holzperle mit Garn (in unserem Fall Leinengarn) umwoben. Da der Kragen auf Stoß schließt, haben wir uns wie bei den historischen Originalen für einen Schlaufenverschluss entschieden. Dazu knüpften wir eine Schnur aus Leinengarn und formten Schlingen. Diese wurden durch das Leder des Kragens geführt und fixiert. Auf der Gegenseite wurden zur Zierde ebenfalls Schlingen angebracht.
Der letzte Schritt ist das Anbringen der „falschen Schnürung“. Diese ist eine beliebte Verzierung bei historischen Stücken. Dazu wurden in regelmäßigen Abständen, passend zu den der Haken und Ösen, Löcher in das Frontstück geschlagen. Durch diese wurde ein ca. 2 cm breites Lederband gezogen, so dass die Verschlusskante vom Band umschlungen wird. Den Abschluss des Lederbandes bilden Nestelspitzen aus Messingblech.
Am fertigen Koller musste noch eine letzte Optimierung vorgenommen werden. An der Taillenlinie klaffte der Koller etwas auf, weshalb wir ein weiteres Paar Haken und Ösen ergänzten.
Ergebnis
Fertig ist der Lederkoller. Um Wasserflecken zu vermeiden und das Leder zu schützen, haben wir es mit einem Lederfett nach historischem Rezept behandelt. Das Leder wurde mit ca. 6m Sattlernaht vernäht. Hinzu kommen einige Meter Naht für das Futter, sowie einige Stunden Näharbeit für Knopflöcher, Anbringen der Haken, Ösen und Knöpfe. Insgesamt waren ca. 120 Arbeitsstunden nötig. Hier die ersten Bilder des Kollers an seinem zukünftigen Träger:
Quellen
Dowen, Keith (2019): Arms and armour of the English civil wars. Leeds, United Kingdom: Royal Armouries Museum.
Gnagy, Mathew (2018): The modern maker Vol. 2: Pattern Manual 1580–1640: Men’s and women’s drafts from the late 16th through mid 17th centuries. CreateSpace Independent Publishing Platform; 1. Edition (1. März 2018).
Royal Armouries (2019): Littlecote: the English Civil War armoury. Herausgegeben von Thom Richardson; Graeme Rimer. Leeds: Royal Armouries.