Projekt Geschirr
Ein wichtiges, aber leider oft vernachlässigtes Detail in der geschichtlichen Darstellung unserer Zeit sind die Gegenstände des täglichen Lebens, wie z. B. das Geschirr. Bei unseren Recherchen dazu haben wir einige interessante Informationen und Vorlagen finden können. Darauf aufbauend möchten wir unsere Darstellung mit historisch möglichst passendem Geschirr ergänzen und zeigen euch hier die Ergebnisse.
Materialien
Keramik
Wie historische Quellen und archäologische Funde zeigen, bestand Geschirr häufig aus Keramik oder Steinzeug. Eine in Mitteleuropa weit verbreitete Form ist die Rheinische Keramik, wie sie in den großen Töpferzentren Siegburg, Frechen, Raeren und im Westerwald hergestellt und in ganz Europa verkauft wurde. Dabei sind verschiedene Tonarten und Glasuren zu beobachten, die zu unterschiedlichen Oberflächen der Stücke führen. Vor allem Siegburger Stücke sind aufgrund des besonders hochwertigen, weißbrennenden Tons, der zu dichtem Steinzeug sintert, häufig unglasiert. Typisch für Siegburger Steinzeug ist auch die “geflammte Ware”, die eine fleckige rötliche Färbung aufweist. Das Auftragen von verdünntem Ton, einer sogenannten Engobe, kann die Keramik überziehen und z. B. durch im Ton gelöstes Eisen die Farbe in ein Braun oder Rot verändern, was vor allem für Raerener und Frechener Keramik, aber auch für Werra- und Weserware typisch ist. Durch Einblasen von Salz in den Brennofen kann eine Glasur auf der Oberfläche erzeugt werden, welche dem Steinzeug eine glatte glasartige Oberfläche verleiht. Die Verwendung von Glasuren wie Blei- und Kupferoxidglasuren kann die Oberfläche grün oder gelblich färben. Eine Neuerung in der frühen Neuzeit stellt die blaue Kobaltglasur dar, die bis heute vor allem bei Westerwälder Steinzeug beliebt ist. Allerdings ist zu bedenken, dass diese Glasur in ihrer Entstehungszeit um 1600 sehr teuer war. Eine Untersuchung von Ralph Mennicken in seiner Arbeit “Die Tupperware von Bruegel, Aertsen & Co: Raerener und Rheinisches Steinzeug auf niederländischen Gemälden der Renaissance und des Barock” untersucht die Häufigkeit verschiedener Keramiksorten und Glasuren auf Bildquellen der Frühen Neuzeit. Das Ergebnis: Grau-blaues Steinzeug macht nur 9% aus.
Übersicht Oberflächen:
Darüber hinaus sind bei der rheinischen Keramik verschiedene Verzierungen bekannt. Mittelalterliche Stücke besitzen häufig einen sogenannten Wellenfuß, der im späten 16. Jahrhundert durch einen profilierten Standfuß abgelöst wird. Ein weiteres Verzierungsmittel sind Auflagen in verschiedenen Formen und an verschiedenen Stellen der Gefäße, wie z. B. Medaillons, Wappen, Rankenmuster oder Bartmannmasken. Geometrische Einschnitte (“Kerbschnitte”) oder Ritzungen im Ton waren ebenfalls eine beliebte Verzierungsform in unserer Epoche. Farbige Verzierungen werden mit dem Malhorn vor allem auf Schalen und Schüsseln aufgetragen und zeigen die unterschiedlichsten Motive. Generell lässt sich sagen, dass sich in der Renaissance und dem Frühbarock neue Formen des Steinzeugs und seiner Verzierungen entwickelten. Aber auch Stücke, wie sie aus früheren Jahrhunderten bekannt sind, lassen sich noch in den Quellen des 17. Jahrhunderts finden.
Übersicht Verzierungen:
Holz
Holzgeschirr findet sich auch in der frühen Neuzeit. Es handelt sich vor allem um Schüsseln, Schalen, Teller und Löffel. Die historischen Originale wurden meist aus Ahorn, Birke, Buche oder auch Eiche gefertigt.
Zinn
Wie historische Quellen zeigen wurde auch Zinngeschirr genutzt. Es handelt sich oftmals um Teller, Platten, Löffel und Kannen. Wir gehen davon aus, dass größeres Zinngeschirr aus Kostengründen im militärischen Bereich nur selten Verwendung fand und, wenn überhaupt, den Offizieren vorbehalten war. Ein Befehl des schwedischen Königs Gustav II. Adolf, alles weiche Metall zu sammeln, um daraus Musketenkugeln zu gießen, bestätigt, dass Zinn bei den Soldaten wohl nur selten zu finden war.
Glas
Ein weiteres Material, das vor allem für Flaschen und Gläser verwendet wurde, ist Glas. In den Glashütten Thüringens, Sachsens, des Spessarts und des Bayerwaldes war es möglich zu vertretbaren Preisen Glaswaren herzustellen. Meist besaß das sog. Waldglas auf Grund darin enthaltender Eisenoxide eine grüne Färbung.
Trinkgefäße
Wie die Quellen zeigen, wurden vor allem keramische Trinkgefäße in Form von Schnellen, Pinten und Bechern verwendet. Aber auch Gläser in Form von Krautstrunk‑, Berkemeyer‑, Passgläsern und Römern finden sich in historischen Quellen. Wir haben hier versucht, einige typische Exemplare zusammenzustellen, die im militärischen Kontext denkbar sind:
Schnellen
Als Schnellen bezeichnet man hohe, zylindrisch gedrungene Humpen und Krüge, wie sie in der frühen Neuzeit besonders beliebt waren. Ihren Ursprung haben die Schnellen vermutlich in der nordrhein-westfälischen Stadt Siegburg, wo sie zum Teil sehr kunstvoll und großflächig mit zeitgenössischen Motiven verziert wurden. Charakteristisch für die Siegburger Stücke ist neben den kunstvollen Verzierungen der hochwertige, hellweiß brennende Ton, aus dem sie hergestellt wurden. Schlichtere, weniger verzierte Schnellen wurden auch in anderen Töpferzentren wie Frechen und Raeren hergestellt. Diese konnten auch aus grau oder braun brennendem Ton hergestellt oder mit einer Engobe überzogen sein. Meist finden sich einfache Verzierungen in Form von Riefen, Ritzungen oder kleinen Medaillons. Wir besitzen inzwischen eine ganze Reihe von Schnellen-Repliken, von denen wir einige zeigen möchten:
Pinten
Die Form der Pinte entstand in der Spätrenaissance und ist etwas niedriger und weniger gedrungen als die der Schnelle. Sie wurden meist in großen Mengen als Trinkgefäße hergestellt und konnten auch einfache Verzierungen in Form von Riefen, Wülsten, Ritzungen und kleinen Medaillons aufweisen. Seltener sind reich verzierte Stücke mit großflächigen Auflagen und Motiven.
Becher
Neben den Krügen finden sich auch Becher als Trinkgefäße. Hier sind verschiedene Formen zu beobachten. Neben bauchigen Formen sind steilwandige Krüge eine Erscheinung ab 1570. Eine Sonderform der Siegburger Keramik stellt der Trichterhalsbecher /-krug dar. Diese Form taucht bereits im 14. Jahrhundert auf und bleibt bis ins 17. Jahrhundert. Neben unverzierten Stücken finden sich auch solche mit Medaillonauflagen, kleinen Stempelornamenten oder eingeritzten Motiven. Neben den Wellenfüßen finden sich ab etwa 1600 auch profilierte Sockel.
Gläser
Historische Quellen und Funde zeigen, dass in unserer Epoche vor allem Römer- und Passgläser in Mode waren. Aber auch die Vorläuferformen des Römers, die so genannten Berkemeyer- und Krautstrunkgläser, sind noch in Gebrauch. Charakteristisch sind die Nuppen- und Stempelverzierungen auf den Gläsern.
Schankgefäße
Siegburger Schankkanne
Weitmundiger, orangefarbener Schankkrug nach Siegburger Vorbild mit zylindrischem Hals und gerillter Form. Diese Krüge weisen besonders häufig einen leichten bis starken Glanz auf, der durch das während des Brandes zugegebene Salz entsteht. Diese Gefäßform ist schon ab dem ausgehenden Mittelalter bekannt und war noch bis ins 17. Jahrhundert in Mode. Im Besitz eines unserer Mitglieder befinden sich auch zwei Originale Stücke, die unserer Replik ähneln.
Ratskanne
Diese besondere Form Siegburger Steinzeugs ist typisch für das 15. Jahrhundert. Die keulenförmigen Ratskannen finden sich jedoch vereinzelt auch noch in Bildquellen des 17. Jahrhunderts. Besonders interessant ist der Kontext der hier gezeigten Bildquelle. Es scheint sich um eine höfische Szene zu handeln. Dies lässt den Schluss zu, dass auch scheinbar altmodische Gefäßformen wie die Ratskanne durchaus beliebt waren bzw. sogar noch lange weiter produziert wurden.
Schankkanne mit Wappenauflage
Der hier gezeigte Krug wurde nach dem Vorbild verschiedener Stücke aus Raeren gefertigt. Charakteristisch sind der zylindrische Hals und dessen Rillenverzierung. Auf dem Bauch des Krugs befinden sich Wappenauflagen. Bildquellen zeigen häufig die Verwendung dieser Krugform.
Schankkannen aus graublauem Steinzeug
Die blaue Kobaltglasur wurde vermutlich in den 1580er Jahren in Raeren entwickelt und gelangte von dort in die anderen rheinischen Töpferzentren. Wegen der hohen Kosten der Glasur wurde sie oft nur für kleine Akzente, z. B. auf Medaillons, verwendet. Aber auch auf Schankgefäßen wie Kannen oder Zylinderbauchkrügen finden sich bald großflächige blaue Flächen, die dem modischen Geschmack des Barock entsprechen und an teures chinesisches Porzellan erinnern. An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Gefäße aus graublauem Steinzeug sehr teuer waren und daher eher höher gestellten Personen vorbehalten waren.
Bartmanns-Schankkrüge
Neben den Vorratsflaschen ziert die Bartmannsmaske auch Schankkrüge und ‑kannen in verschiedenen Formen. Die Schankkrüge haben eine ähnliche, meist bauchige Form, wobei die Ausgussöffnung größer ist als bei den Flaschen. Um Verschmutzungen zu vermeiden, sind einige Krüge mit einem Zinndeckel versehen. Häufig sind die Schankkrüge mit weiteren Verzierungen wie Medaillons, Wappen oder Friesbändern versehen.
Essgefäße
Auch bei den Essgeschirren zeigen die historischen Quellen, dass häufig Keramik verwendet wurde. Es finden sich aber auch Stücke aus Holz wie gedrechselte Schalen, Schüsseln und Teller. Seltener sind Gefäße und Teller aus Zinn. Im militärischen Kontext ist es, wie bereits beschrieben, fraglich, ob diese in größerem Umfang verwendet wurden. Hier eine Übersicht verschiedener Stücke wie wir sie für unsere Darstellung nutzen:
Keramische Schalen
Lange haben wir nach Bezugsquellen für Repliken von Essschalen gesucht, damit unsere Soldaten und Marketenderinnen ihre Mahlzeiten in historisch passenden Gefäßen einnehmen können. Leider konnten wir keine für unsere Darstellung geeigneten Stücke finden, so dass wir in einer Töpferei Schalen anfertigen ließen. Als Vorlage dienten eine kleine und eine größere Schale vom Wrack der Vasa, die 1628 gesunken war. Die Stücke sind aus rotbrennender Keramik hergestellt und innen mit einer grünen Glasur überzogen. Der angesetzte Henkel dient zum Halten und Aufhängen der Schalen und ist charakteristisch für viele Stücke dieser Zeit.
Inzwischen konnten wir durch Zufall weitere Keramikschalen erwerben. Es handelt sich um Schalen aus weißbrennendem Ton, der innen mit einer grünen Glasur überzogen ist. Diese Form findet man vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. Die Schalen wurden von verschiedenen Töpfern hergestellt.
Hölzerne Schalen und Teller
Für hölzerne Gefäße finden sich ebenfalls Quellen, archäologische Funde und erhaltene Originale. Ein Beispiel hierfür ist eine gedrechselte Schale aus Lübeck sowie hölzerne Teller nach verschiendene Vorlagen in Museen. Das besondere an den Tellern ist, dass sie eine quadratische Grundform mit einer rund ausgeschliffenen Vertiefung besitzen. Die kleine Vertifeung in einer der Ecken wird als Aufbewahrungsmöglichkeit für Salz gedeutet. Die Schale nach Lübecker Vorbild haben wir extern von “Zeitenhandel” bezogen. Die Teller wurden von uns hergestellt.
Vorratsgefäße
Für die historisch akkurate Aufbewahrung von Vorräten benötigen wir verschiedene Gefäßarten, wovon wir Euch einige ausgewählte Stücke zeigen möchten:
Bartmannskrüge – und flaschen
Sehr beliebt waren Krüge, Flaschen und Pullen mit einer Auflage in Form eines bärtigen Mannes, so genannte Bartmannskrüge. Erste Formen dieser Bartmannskrüge tauchten bereits im 13. Jahrhundert auf, bevor sie im 16. und 17. Jahrhundert sehr beliebt wurden. Zentrum der Produktion dieses Gefäßtyps war Frechen, aber auch in Siegburg und Raeren wurden Bartmannskrüge hergestellt und in alle Welt verschickt. Über die Bedeutung des Bartmanns gibt es verschiedene Theorien, z. B. die Darstellung des Herrgottes. Im Englischen werden sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit Kardinal Bellarmino auch “Bellarmines” genannt. Meistens haben Bartmannskrüge eine enge Ausgussöffnung, was darauf schließen lässt, dass sie zur Aufbewahrung und für den Transport von Flüssigkeiten dienten. Der Inhalt der Krüge war vielfältig. Neben Bier, Wein und Brantwein wurden die Krüge auch für die Aufbewahrung und den Transport von Öl genutzt. Es gibt jedoch auch Exemplare mit einer breiteren Ausgussöffnung, die als Schankgefäße oder sogar als Trinkgefäße verwendet wurden.
Keramische Flaschen
Neben den verzierten Bartmannsflaschen finden sich in den historischen Quellen auch andere keramische Flaschen. Einfache, unverzierte Flaschen konnten für verschiedene Flüssigkeiten verwendet werden. Es finden sich aber auch Flaschen mit verschiedenen Verzierungen wie z. B. Medaillonauflagen.
Glasfaschen
Eine häufige Form sind bauchige Flaschen, die sogenannten Zwiebelflaschen. Daneben gibt es auch eckige Flaschen, die vermutlich für Branntwein verwendet wurden. Die Flaschen sind meist aus dickwandigem grünem Glas.
Töpfe und Amphoren
Zur Aufbewahrung von festen Vorräten wie z. B. Schmalz, Butter, Muß oder auch Getreide und Fleisch eignen sich Töpfe und Amphoren. Wir zeigen Euch hier eine Auswahl verschiedener Stücke die wir in unserem Feldlager im Einsatz haben:
Besteck
Die Messer des persönlichen Essbestecks waren meist klein und nur bis ca. 15 cm lang. Die Griffe waren aus verschiedenen Hölzern gefertigt und teilweise mit Schnitzereien verziert. Löffel konnten aus verschiedenen Materialien wie Holz, Zinn oder Bronze bestehen. Unabhängig vom Material haben sie eine ähnliche Form mit dünnem Stiel und rundem, manchmal leicht ovalem Löffelkopf. Im 17. Jahrhundert wurden Gabeln immer beliebter, so dass zahlreiche Quellen und Originale erhalten sind. Sie konnten aus Bronze gegossen oder aus Eisen geschmiedet sein. Die aufwendigeren Stücke aus Eisen haben Holzgriffe. Auffällig ist, dass die Gabeln meist nur zwei gerade Zinken besitzen.
Weiteres Geschirr
Anrichte- und Serviergefäße
Auch für diese Art Gefäß ließen wir uns mangels Bezusgmöglichkeiten einige Exemplare von einem Töpfer anfertigen. Die Vorlage für die Form war eine Schale aus Lüneburg, welche in den Zeiraum von 1600 bis 1650 datiert. Auf die aufwändige Verzierung in der Schale, welche bei der historischen Vorlage mit einem Malhorn aufgebracht wurde, verzichteten wir bei unserer Replik.
Pasteten-und Backformen
Pasteten und süße und herzhafte Torten erfreuten sich in der Frühen Neuzeit großer Beliebtheit, wie zahlreiche Abbildungen und Rezepte in zeitgenössischen Kochbüchern belegen. Da sie sich leicht zu Hause zubereiten lassen, sind sie auch eine praktische Verpflegung bei unseren Veranstaltungen, wofür wir historisch adäquate Formen benötigen. Die Quellenlage für solche Formen ist sehr schwierig. Wir kennen nur wenige Stücke, die uns eine Vorstellung davon geben, wie solche Formen im 17. Jahrhundert ausgesehen haben könnten. Immerhin konnten wir eine Replik einer Backform aus Bad Windsheim aus dem 15. Jahrhundert beziehen. Die Form ist unverziert und könnte so auch im 17. Jahrhundert ausgesehen haben. Nach einer der wenigen bekannten Backformen aus dieser Zeit, einem archäologischen Fund aus Rotterdam, haben wir von einem Töpfer einige Repliken anfertigen lassen. Um die Reinigung zu erleichtern, sind die Repliken innen glasiert.
Kochgeschirr
Wie Funde und historische Quellen zeigen, waren Kessel häufig aus Blechen zusammengenietet. Als Material wurde Kupfer, Bronze und Stahl verwendet. Kleinere Kessel und Töpfe konnten auch aus getriebenem Blech hergestellt werden. Eine häufig anzutreffende Form sind Töpfe mit angesetzten Füßen, so genannte Grapen. Neben Gussstahl wurden sie auch aus Bronzeguss oder Keramik hergestellt. Keramisches Kochgeschirr bietet viele Vorteile, wie z. B. einen günstigen Herstellungspreis und gute thermische Eigenschaften. Wir zeigen hier verschiedene Kochgefäße, die wir zum Kochen im Lager verwenden.
Besondere Formen
Bei unseren Recherchen sind wir immer wieder auf besondere Gefäßformen gestoßen, die wir Euch nicht vorenthalten möchten. Eine besondere Flaschenform ist der “Kuttrolf” oder “Angster”. Bei diesem Glasgefäß sind an einem birnenförmigen Bauch mehrere Röhren befestigt, die ineinander verschlungen sind. Beim Ausgießen erzeugt der Kuttrolf durch die einströmede Luft ein Gluckern, weshalb er auch “Gluckerflasche” genannt wird und zu den Scherzgefäßen zählt. Die Form des Kuttrolfs ist seit dem Mittelalter bekannt und war auch in der frühen Neuzeit äußerst beliebt. Er wurde häufig in den Glashütten des Spessarts hergestellt, wovon noch heute ein Kuttrolf im Wappen von Heigenbrücken im Spessart zeugt. Inzwischen konnten wir ein Replik eines weiteren Scherzgefäßes in Form eines Kanonenrohres erwerben. Es wurde nach einem historischen Original aus dem 17. Jahrhundert gefertigt. Scherzgläser in Formen von Pistolen, Tieren, Stiefeln oder auch Kanonenrohren sind typische Gegenstände gehobener Tischkulur und trugen sicherlich zur Belustigung der Gäste bei 🙂
Eine Sonderform der Siegburger Keramik stellen die Maßwerkskrüge dar. Sie sind der Form der Trichterhalskrüge nachempfunden, haben aber kunstvolle Durchbrüche in der Gefäßwand. Der Krug kann Flüssigkeit nur halten, weil sich im Inneren ein zylinderförmiger Einsatz befindet. Solche aufwendig hergestellten Krüge konnten sich nur höher gestellte Personen leisten. Sie sollten auch signalisieren, dass man mit den gereichten Getränken maßvoll umging und trotz des groß wirkenden Kruges nur kleine Mengen zu sich nahm. Fast gegensätzlich hierzu ist die letzte besondere Gefäßform, der Sturzbecher. Diese sind ebenfalls den Trichterhalskrügen nachempfunden, haben aber keinen Standfuß, so dass sie erst vollständig ausgetrunken werden müssen, bevor man sie verkehrtherum abstellen kann. Die Verzierungen unserer beiden Repliken orientieren sich an erhaltenen Stücken und zeigen eine modellierte Priesterfigur sowie einen Auflage mit dem Motiv des “Papststeufels”.
Bezugsquellen
Die von uns verwendeten Repliken stammen unter anderem von folgenden Händlern und Herstellern:
- Zeitenhandel - Gedrechselte Schalen, Löffel, Schüsseln, Keramik: https://zeitenhandel.de/
- Tod Cutler – Messer, Besteck: https://todcutler.com/
- Mittelalterkeramik Kurtz – Krüge, Schalen: http://www.mittelalterkeramik-kurtz.de/
- Atelier Able – Krüge, Schalen: https://atelierable.nl/about/
- Glashaus Spiegelberg – Gläser: https://www.glashaus-spiegelberg.de/
- Matuls – Kessel: https://matuls.pl/
- The Glass Makers – Flaschen: http://www.theglassmakers.co.uk/
- Ilja Frenzel Mittelalterkeramik- Krüge: https://www.ilja-frenzel.de/
Quellen
Beckmann, Bernhard; Heide, H.; Strunk-Lichtenberg, G. (1975): Der Scherbenhügel in der Siegburger Aulgasse. Bonn: Rheinland-Verlag R. Habelt (= Rheinische Ausgrabungen).
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Francke, Ursula (1999): Kannenbäcker in Altenrath: frühneuzeitliche Steinzeugproduktion in Troisdorf-Altenrath ; [eine Töpferwerkstatt des Frühbarocks in Troisdorf-Altenrath]. Siegburg: Rheinlandia-Verl (= Veröffentlichung des Geschichts- und Altertumsvereins für Siegburg und den Rhein-Sieg-Kreis e.V).
Gisela Reineking von Bock (1986): Steinzeug. (Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln. Bd. IV). 3. Auflage. Köln
Horschik, Josef (1990): Steinzeug: 15. bis 19. Jahrhundert ; von Bürgel bis Muskau. 3. Aufl. Dresden: Verl. der Kunst.
Josef Riederer (1995): Berliner Beiträge zur Archäometrie / 13 – 1995 (Seite 125–206 Analytische Untersuchungen an glasierten Keramiken der frühen Neuzeit). 13. Berlin: Staatliche Museen Preussischer Kulturbesitz.
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Kröll, Karola; Wiethold, Julian (2012): Die frühneuzeitliche Gefäßkeramik der Lüneburger Töpferei „Auf der Altstadt 29.“ 1. Aufl. Rahden/Westf: Leidorf (= Archäologie und Bauforschung in Lüneburg).
Mennicken, Ralph (2013): Raerener Steinzeug: europäisches Kulturerbe. Raeren: Töpfereimuseum.
Mennicken, Ralph (2022): Die „Tupperware“ von Bruegel, Aertsen & Co: Raerener und Rheinisches Steinzeug auf niederländischen Gemälden der Renaissance und des Barock. Raeren: Töpfereimuseum Raeren.
Mennicken, Ralph (2023): Typo-Chronologische Übersicht zur Entwicklung des Raerener Steinzeugs vom 13. bis zum 19./20. Jahrhundert. Raeren: Töpfereimuseum Raeren. Online: https://toepfereimuseum.org/TopfereimuseumRaeren/files/62/62399a77-6ba9-4927-af70-808eb2cbbaac.pdf
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Roehmer, Marion (2022): Lebenswelten – Siegburger Steinzeug: in Realität und Malerei. Petersberg: Michael Imhof Verlag.
Roehmer, Marion (2023): Techniktransfer von Köln nach Siegburg: Beobachtungen zum auflagenverzierten Siegburger Steinzeug der Renaissance. Herausgegeben von Gundula Caspary. 1. Auflage, illustrierte Ausgabe. Lohmar: Verlag ratio-books Imprint Rheinlandia.
Schirren, Dr. C. Michael (2014): …Sieben auf einen Streich… – Metallgefäße aus dem Mühlenteich der Stadt Gützow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Online: https://www.kulturwerte-mv.de/Landesarchaeologie/Fund-des-Monats/Bisherige-Beitr%C3%A4ge/2014–03-Metallgef%C3%A4%C3%9Fe-aus-dem‑M%C3%BChlenteich-der-Stadt‑G%C3%BCtzkow/
Schmidt-Esters, Gudrun; Stiftung KERAMION – Zentrum für Moderne + Historische Keramik (Hrsg.) (2010): Frechener Bartmannkrüge. 2. Aufl. Frechen: Stiftung Keramion.
Unger, Ingeborg et al. (Hrsg.) (2013): Die Kunst des deutschen Steinzeugs: Collection Karl und Petra Amendt und der Krefelder Kunstmuseen. Krefeld: Krefelder Kunstmuseen.
Unger, Ingeborg; Schäfke, Werner; Kölnisches Stadtmuseum (Hrsg.) (2007): Kölner und Frechener Steinzeug der Renaissance: die Bestände des Kölnischen Stadtmuseums. Köln: Kölnisches Stadtmuseum (= Publikationen des Kölnischen Stadtmuseums).